Taz berichtet

Abrüstungspläne für den Rosenkrieg
„Scheidung light“: Immer mehr Paare lassen sich per Internet scheiden. Justizministerin Zypries möchte das Verfahren weiter vereinfachen und billiger machen. Rechtsanwälte wären dann nicht mehr von Nöten. Doch es regt sich Widerstand

von COSIMA SCHMITT (TAZ)

Dies ist die moderne Form des Ex und Hopp. Ein Mausklick genügt, den Lebensbund zu lösen. Vorbei sind die Zeiten, in denen Trennungswillige ein Anwaltsbüro aufsuchen mussten. Heute reicht es, wenn sie den Computer einschalten. Die Seite scheidung-uebers-internet.de bietet umfassenden Service fürs zerstrittene Paar: die Eheauflösung via World-Wide-Web.

„Vor allem an den Weihnachtstagen werden wir mit Scheidungsanträgen überschüttet“, sagt der Familienrechtsanwalt Theo Schmidt, der mit einem Partner die Homepage betreibt. Gerade junge, kinderlose Paare, die nur kurz verheiratet waren, nutzen den Service. „Oder es melden sich Ingenieure, die in China oder Dubai arbeiten und sich neu verliebt haben“, sagt Schmidt. Die Kanzlei bearbeitet etwa 250 Online-Anträge pro Jahr – Tendenz steigend.

Doch nicht nur geschäftstüchtige Anwälte – längst finden sich im Netz mehrere Anbieter – setzten derzeit auf die Discount-Scheidung. Auch an weit prominenterer Stelle erwägt man, Ehegatten eine preiswerte Trennung zu ermöglichen. So nimmt jetzt eine von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) geplante Novelle konkrete Formen an. Ein Paar, das keine Kinder hat und sich einig ist, soll künftig ohne Anwalt die Ehe auflösen können. Es erklärt notariell den Willen, sich scheiden zu lassen. Ebenfalls in notarieller Form hält es fest, welcher Unterhalt gezahlt werden soll und was mit Wohnung und Hausrat geschieht. Die Scheidung selbst spricht dann ein Richter aus.

Zypries betrachtet eine solche „Scheidung light“ als nur zeitgemäß in einem Land, in dem die Menschen eher mehrere Partner haben als eine Liebe, die ein Leben lang hält. Überdies ist heute jede zweite geschiedene Ehe kinderlos. Und die meisten Scheidungen verlaufen einvernehmlich. Mit dem neuen Modells könnte ein Expaar etwa die Hälfte der Kosten einsparen, hat das Ministerium errechnet. Setzt Zypries also nur um, was der Zeitgeist verlangt? Oder wird hier voreilig ein bewährtes System aufgegeben?

Diese Ansicht vertritt – erwartbarerweise – die Anwaltslobby. Ingrid Groß etwa, Vorsitzende des Familienausschusses des Deutschen Anwaltsvereins, hält die geplante Neuerung für „hochproblematisch“. Den Leuten werde „vorgegaukelt, dass eine Scheidung ganz simpel ist. Dabei ist gerade das Familienrecht sehr kompliziert“, sagt sie. Auch Frauenrechtsorganisationen kritisieren die Pläne. Sie fürchten, dass bei einer Scheidung ohne Anwalt der schwächere Part – etwa eine Hausfrau, die auf Unterhalt angewiesen ist – übervorteilt werden könnte.

Mit dieser Skepsis stehen sie nicht alleine da. Auch in der Politik regt sich Widerstand. Quer durch die Parteien zieht sich die Front der Kritiker.

Das Justizministerium im SPD-geführten Rheinland-Pfalz etwa hält das Vorhaben für bedenklich. „Notare sind ja von ihrer Ausbildung her keine Spezialisten in Familienrecht. Und oft stellt sich erst in einer Beratung heraus, dass die Regelung, die die Eheleute vereinbart haben, nicht fair ist“, sagt eine Sprecherin. Auch die CDU-Länder Nordrhein-Westfalen und Hessen äußern Skepsis. Die unionsregierten Länder Bayern und Baden-Württemberg hingegen halten die Pläne für sinnvoll. Das Justizministerium selbst versteht die Aufregung nicht. „Das ist doch nur ein Angebot. Wer will, kann sich auch künftig für die Scheidung einen Anwalt nehmen“, sagt eine Sprecherin.

Eins immerhin ist gewiss: Die Nachfrage nach Eheauflösungen zum Discounttarif ist immens. Den Anwälten mit der Scheidungs-Homepage sichert sie einen vollen Terminkalender.